Samstag, 22. Februar 2014

Ritter 2.0

Es gibt Tage, die brennen sich ein in das kollektive Gedächtnis von ganzen Nationen ein. Nehmen wir etwa für die Österreicher den Februarauftstand 1934 oder für die Deutschen die Maueröffnung 1989.
Ein solcher Tag war auch der 15. Juli 1099. Kreuzfahrer erobern Jerusalem. Chronisten berichten detailliert von diesem Ereignis. Und dieser Bericht ist ein großer Kontrast: Sie töten alles, was sich ihnen in den Weg stellt (laut Chronisten auch Frauen und Kinder). Sie waten im Blut. Danach treten sie in die Grabeskirche in weißen (!) Gewändern und sich außer sich vor Freude und singen ihrem Gott neue Lieder. Und der zweite Riesenkontrast ist der, dass diese Ritter der vollen Überzeugung, dass sie Christen sind, hatte doch der Papst selbst zum Kreuzzug aufgerufen.
Aus heutiger Sicht gibt es einige, die ihnen das Christsein absprechen; und in der Tat kann man doch das Evangelium nehmen, wo es heisst: „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen.“ So hören wir es diesen Sonntag im Evangelium.
Und am vergangenen Sonntag hörten wir: „Du sollst nicht töten; wer aber jemand tötet, soll dem Gericht verfallen sein.“
Diese Kreuzfahrer, haben sie nicht nach dem Motto gehandelt: Wie du mir, so ich dir. Rache war angesagt.
Wir sind nicht die ersten, die das kritisieren. Schon im 19. Jahrhundert gab es einen französischen Psychologen (Gustave Le Bon), der dieses Massenverblendung untersuchte. Nietzsche, Voltaire, Lessing, Marx und Engels schlossen sich dieser Kritik an. Für sie alle war der Glaube und die Berufung auf Gott nur ein Deckmäntelchen für den Machtwillen einer scheinheiligen Priesterclique, den Expansionsdrang einiger Fürsten und den Geschäftsinn reicher Kaufleute.
Die Motive, die Papst Urban hatte, als er zum Kreuzzug aufrief, kann man aus diversen Briefen des Papstes erfahren: Er redet nicht von Eroberung, sondern von der (1) Freiheit der Kirche und der (2) Befreiung der morgenländischen Christen. Desweiteren gab es ja schon im AT diese (3) Sehnsucht nach Jerusalem. Und diese Sehnsucht, die auch viele Wallfahrer beseelte und beseelt, puschte die Ritter in Europa dazu, die heilige Stadt zu befreien. Man sah sich also in der Tradition biblischer Kämpfe. Ähnlich ging es den Israelis 1967, die vor ihren Kämpfen im Sechstagekrieg mit Jerusalemschlager aus dem Radio zugedröhnt wurden. Und diese Jerusalemsehnsucht wurde noch verstärkt, durch den Messias Jesus Christus, der ja eben in dieser Stadt für uns gelitten hat und auferstanden ist. Jetzt müssen wir doch diese Stadt zurückerobern.
Ohne Zweifel gab es viele Kreuzfahrer mit Eigeninteressen. Und die verschlimmerten den Krieg. Wenn wir kein hohes Ziel haben, sondern und nur Eigeninteressen verfolgen, sind haben wir dann etwas, das uns hält, sind wir dann nicht vielmehr schwankende Menschen. So sagt Goethe: „Denn der Mensch, der zur schwankenden Zeit auch schwankend gesinnt ist, der vermehret das Übel und breitet es weiter und weiter.“
„Gott will es“ war das Motto viele Kreuzfahrer und vieler Krieger bis in die heutige Zeit. Man sieht daran, wie der Name Gottes missbraucht wird. „Volk Gottes“ ist genauso eine Metapher, die ich nicht immer gebrauchen kann, besonders dann, wenn ich mir selbst damit vormache: Gott ist immer auf meiner Seite und mich damit rechtfertige.
Dass es auch gute Motive unter den Kreuzfahrern gegeben hat, beweisen mir verschiedene Orden, deren Mildtätigkeit bis heute anhält, die aber eben damals gegründet wurden: Deutscher Orden, Malteserorden.
Manche wollen uns davon überzeugen, dass das ein machtgeiles Abendland das fortschrittliche und tolerante Morgenland überfallen hat.
„Darin liegt der Adel und die Schönheit des Glaubens, dass wir das Herz haben etwas zu wagen.“ John. Henry Card. Newman

Ich mag das Rittertum nicht und ich mag kein Ritter sein, wenn es nur darum geht, meinen eigenen Machtbereich zu vergrössern.
Ich mag Ritter sein, wenn man damit das Leben fördert und Diener des Lebens ist.

weiterführender Link:
neues Buch zum Thema Kreuzzüge

Samstag, 8. Februar 2014

Mit dem ICE durch die Kirchengeschichte - heute: Cluny

Zur Zeit haben Kampftrinker die Oberhand im (a-)sozialen Netzwerk Facebook. Da trinkt einer eine halbe Bier auf ex und lädt dann drei Leute ein, es ihm gleich zu tun; wer das nicht innerhalb von 24 Stunden macht, muss einen Kasten Bier zahlen.
Viele wollen sich da nicht lumpen lassen und machen mit. So verbreitet sich das dann ganz schnell über unser Land und die Jugend wird so auch breit.
Das funktioniert wie ein Kettenbrief  oder ein Schneeballsystem.
Eine schnelle Verbreitung ist vorprogrammiert. In der Kirche gibt´s das ohne breite Schädel in der Osternacht, wenn das Licht der Osterkerze an die Gläubigen verteilt wird. In wenigen Minuten ist die Kirche dann hell erleuchtet, weil jeder sein Licht weitergibt.
Vom 10. bis ins 13. Jahrhundert gab es mehrere Ordensgemeinschaften, die sich in ähnlicher Weise schnell viral verbreitet haben. Die Benediktiner von Cluny, die Zisterzienser und die Dominikaner und Franziskaner.
Eine jeweils überzeugende Idee von Christusnachfolge, die sich verbreitete und die Menschen begeisterte.
Und genau daran hat Jesus Christus gedacht, wenn er im Sonntagsevangelium vom Licht spricht. Man kann dieses Licht nicht für sich behalten, sondern muss es weitergeben.

Détails du clocher de l'eau bénite et clocher de l'horloge de l'abbaye de Cluny

Im Jahre 910 gründete Wilhelm III. von Aquitanien in Burgund das Kloster Cluny. Das besondere an dieser Gründung war die Eigenständigkeit der Abtei. Es war nämlich immer wieder üblich, dass der Kaiser oder Bischof den Abt und die Politik des Klosters bestimmten und immer wieder eingriffen.
So eine Eigenständigkeit ist  schon was wichtiges. Letztlich hat sich das ja fortgesetzt bis in die katholische Soziallehre. Nicht immer von oben „helfend“ eingreifen, sondern die untere Einheit (zB Pfarre, Kloster, das Land, die Gemeinde) soll sich selbst um ihre Belange kümmern. (Stichwort: Subsidiarität).
Und aus dieser Eigenständigkeit hat die Abtei Cluny etwas gemacht. Man hat viel gebetet, die Mönche waren sehr asketisch (inklusive des Herrn Abtes) und vor allem wurden die Armen nie vergessen. Was ein Kloster Gutes tut - daran ist es zu messen - ganz im Sinne der heutigen ersten Lesung aus dem Buch Jesaja:

Teile an die Hungrigen dein Brot aus, nimm die obdachlosen Armen ins Haus auf, wenn du einen Nackten siehst, bekleide ihn.

Bis in unsere heutige Zeit ist das längst aufgelöste Kloster Cluny wichtig, dort das Gebet für die Verstorbenen in besonderer Weise gepflegt wurde. Der Allerseelentag, den wir jedes Jahr am 02. November begehen, ist eine Erfindung des Abtes Odile von Cluny im Jahre 998.
Dieses Totengedenken hat man aber nicht nur durch entsprechende Gebete begangen, sondern man hat sie verbunden mit der Sorge um die Armen. 30 Tage lang nach dem Todestag eines Mönchs wurde einem Armen die Mahlzeit gereicht, die dem Toten zu seinen Lebzeiten zustand. Und wenn sich der Todestag jährte wurde das gleiche gemacht. Das konnte man zwar nicht immer so fortführen, aber man hat die Armen in der Blütezeit von Cluny nie vergessen.

Solche Bräuche gibt es heute auch vereinzelt. ZB, wenn auf der Parte heißt: Statt Blumen und Kränze bitten wir um eine Spende auf das Konto… Aber oft geht es bei ihnen und bei uns im Kloster nur darum, alles unter den Hinterbliebenen aufzuteilen, aber nicht darum, wo man den Armen jetzt helfen kann.

Totengedenken und Gutes-Tun - eine Verbindung, die es lohnt, wieder vermehrt herzustellen.

Die Reformen von Cluny wurden weitergereicht. Es gab viele Abteien, die abhängig waren von Cluny - ganz im Gegensatz zum Subsidiaritätsprinzip. Es gab aber auch Reformbewegungen, die nur einen Teil der Reformen übernahmen. Den hoffentlich besten Teil. So kam diese Reform dann auch über den Schwarzwald nach Admont. Und von hier wurden wieder 25 Klöster reformiert.
So ist es bei einer Reform vielleicht gerade richtig, dass man nicht alle über einen Kamm schert, sondern auf die Eigenheiten der Länder und die Befindlichkeiten vor Ort Rücksicht nimmt.
Beten wir also und strengen uns an, dass unser Licht vor den Menschen leuchtet, damit sie unsere guten Werke sehen und unsern Vater im Himmel preisen.

Quellen:
Schütz, Chr., Rath, P. (Hg.), Der Benediktinerorden: Gott suchen in Gebet und Arbeit, Mainz 19943.
Clemens M. Kasper,Klaus Schreiner (Hg.), Viva vox und ratio scripta. Mündliche und schriftliche Kommunikationsformen des Mittelalters, Münster 1997. 

Samstag, 1. Februar 2014

Mit dem ICE durch die Kirchengeschichte - heute: das Konzil von Nicäa

Am vergangenen Montag meldete das türkische Staatsfernsehen TRT, dass man möglicherweise den Tagungsort des christlichen Konzils von Nizäa geortet hat. (Quelle) In der Stadt İznik im gleichnamigen See. Hier fand das erste von insgesamt 21 ökumenischen Konzilien statt.
Man muss ja froh sein, dass die Kirche bzw. der kaiserliche Palast im Meer versunken ist, sonst würden die Türken da spätestens nächstes Jahr eine Moschee draus machen.
Was heisst das: „ökumenisches Konzil“? Ökumene heisst in diesem Zusammenhang, dass alle Bischöfe dazu eingeladen waren. (oikumene - griech. für bewohnte Welt) Und es sind tatsächlich 300 (!) gekommen. Es wurde über das Wesen Jesu diskutiert. Is er Gott, ist er nur Mensch, is er beides? Es gab nämlich Bischöfe die das so sahen oder so… Und jetzt wollten sie sich einigen. Nein, eigentlich, waren nicht sie es, die sich einigen wollten. Die Christen hätten sich wahrscheinlich weiter so durchgeworschtelt. Aber dem Kaiser war es ein Anliegen. 12 Jahren zuvor hatte er die Christen toleriert und damit die blutige Verfolgung im römischen Reich vorerst beendet. Er sah die Christen nicht mehr als Staatsfeinde wie seine Vorgänger, sondern als Säulen des Reichs.
Aber wie kam es dazu, dass der Papst (aka Bischof von Rom) dann irgendwann an Einfluss gewann und so mächtig wurde. Wenn wir ehrlich sind, ist da auch eine Fälschung mit Schuld dran: Die sogenannte konstantinische Schenkung.
Eine um das Jahr 800 gefälschte Urkunde, die besagt, dass der Bischof von Rom Italien und die Stadt Rom durch den Kaiser Konstantin erhält und auch der wichtigste Bischof der Christenheit sein soll. Es gab im ganzen Mittelalter Zweifel an diesem Dokument bis es schließlich klar als Fälschung entlarvt wurde. Und auf so eine Fälschung stützt sich der Kirchenstaat und die kirchliche Gewalt des Papstes. Nein, so ist es natürlich nicht. Der Papst ist immerhin Bischof der Stadt, wo Petrus UND Paulus für Christus gestorben sind, er ist noch dazu Nachfolger des heiligen Petrus, den Jesus selbst zum Fels seiner Kirche ernannt hat.
Nichtsdestotrotz fragt man sich dann schon, was darf man denn noch glauben? Was ist echt? Was ist gefälscht? Was zum Beispiel ist mit dem Evangelium? Alles erfunden oder ist das alles genauso geschehen? Ich möchte auf diese Frage zweimal antworten.
Erstmal sind wir ja keine Schriftreligion. Die Bibel ist wichtig; wer die Bibel nicht kennt, kennt Christus nicht. Aber wichtiger ist immer die lebendige Beziehung zu Gott und seinem Sohn. Nicht die Wörter, die uns die Begegnung zwischen Simeon, Hanna und Jesus mitteilen sind wichtig, sondern dass diese Begegnung stattgefunden hat, das sich Blicke berührt haben, dass der alte Mann den Gottessohn in den Händen hielt. Das ist entscheidend.
Die Begegnung mit Christus Jesus war für einige Menschen so
Schaun wir uns doch mal an, von wann die älteste Handschrift des Neuen Testaments ist. Papyrus 52  ist nicht mal so groß wie eine Handfläche, worauf sich einzelne Verse aus dem 18. Kapitel des Johannesevangeliums befinden. Man schätzt, dass es um das Jahr 125 nach Christus beschrieben wurde. Also etwa 100 Jahre nach Jesu Tod und Auferstehung. Eine lange Zeit? Schaun wir mal einen anderen Autor der Antike an: Julius Caesar, gestorben 44 v. Chr.  Die älteste Handschrift seines Kommentars zum Gallischen Krieg stammt aus dem 9. Jahrhundert nach Christus. 800 Jahre dazwischen. Also das sind doch die hundert Jahre des Papyrus 52 gerade mal ein Wimperschlag dagegen.
Aber darauf kommt es nicht an. Es kommt auf die Begegnung mit dem menschgewordenen Gottessohn an. Es kommt darauf an, wie wir sein Wort in uns aufnehmen, wie es durch uns Fleisch wird. Es kommt darauf an, dass wir würdig die heilige Kommunion empfangen. Wie der alte Simeon sehen wir den Herrn Jesus in der Hostie und berühren IHN. "Unser ganzes Dasein muss von Gott (und mit Gott) reden, selbst in den unscheinbaren Dingen. Dann ist unser Zeugnis echt, dann wird es auch in der Kraft des Heiligen Geistes stets neu und frisch sein (aus der Rede des Papstes an Österreichische Bischöfe). Der heilige Simeon und die heilige Hanna sind nicht mehr alt, sie sind jung, weil ihr Zeugnis echt ist.